02.04.2009, 03:58
50 Jahre Wien Museum
Da hatten mich letzten Sonntag die Damen Martina Tichy und Christine Strahner eingeladen, eine kleine Führung im Museum zu machen. Anlässlich des 50jährigen Jubiläums hieß es "Sonntag mit Freunden - 50 Wiener Persönlichkeiten führen durch das Wien-Museum". Ich sollte mir ein Exponat aussuchen und vor den Gästen (es waren ganz schön viele!) darüber reden. Fiel mir das Herz gleich in die Hose. Wollte mir nämlich nichts harmloses aussuchen, sondern politisch werden (48er-Revolution), bin aber andererseits natürlich kein Historiker.
Wieder so eine Gratisaufgabe, die einen eigentlich nur von der Arbeit abhält, die man aber macht, weil die Idee der Damen ja nicht missachtet werden soll. Ist ja gut, die Idee.
Suchte mir (siehe letzten Blogeintrag) das Ölbild von Joh. Jos. Reiner aus, das den Attentatsversuch an dem jungen Kaiser Franz Joseph I. darstellt. Nahm es zum Anlass, über das mangelnde Selbstverständnis der Österreicher - bis hin zum Sprachverlust - zu reden. Vorausgeschickt hatte ich den Absolutismus und die Auflehnung gegen ihn, die brutal niedergeschlagen wurde, statt sie zum Anlass zu nehmen, umzudenken.
Im Endeffekt ist´s eh ganz gut gelaufen, nur: Hatte lange recherchiert und mir besondere Mühe gegeben, aber dann - wie´s so ist - sehr vieles zu erwähnen vergessen. Ärgere mich jetzt noch über mich selbst.
Hätte auch über die Reformkaiser Joseph II. und dessen Bruder Leopold reden sollen, dann wäre Franz II. als neuer Kaiser Franz I. und die vorangegangene franz. Revolution gebührend zur Sprache gekommen. Wenigstens sagte ich, dass die Unsicherheit der Österreicher aus dem vielen Hin- u. Hergeworfensein resultiert, unsere ohnehin erst viel zu junge Nation jetzt auch noch auf den globalisierenden EU-Markt geworfen wurde und sich deshalb niemand wundern darf. Von einer Jahrhunderte alten Weltmacht (das Kaisertum umfasste ja fast ganz Mitteleuropa!) zu einem Ministaat. Und Preußen wollte uns ja schon immer aus dem deutschen Bund ausschließen, um die Vorrangstellung zu erringen, die wir hatten. Das ist ihm mit der Schaffung des Norddeutschen Bundes schließlich auch gelungen. Umso widerwärtiger der Anschlussgedanke der Österreicher (von Hitler erst gar nicht zu reden). Heute: Der vergermanisierte Umgangston der Wiener Jugendlichen - ja auch eine Art Anschluss.
Weiters sagte ich, dass der Totalitarismus der freien Marktwirtschaft in Wirklichkeit auch nichts anderes als eine Form von Absolutismus sei, nur halt unter einem anderen Gesichtspunkt. Da ja der heutige (Konsum-) Mensch auf den Rang eines Säugetieres reduziert werde und er dadurch leicht gefügig zu machen sei. Es gelte aber, ihm seine angeborene "Ahnung zum Mehr" rückzuerstatten um damit seine perspektivelose Leere mit positiver Kraft auszufüllen.
Dem Ölgemälde ist nämlich der ursprünglich aufgesetzte Himmel (mit dem Herrgott in den Wolken, der den Kaiser beschützt) abhanden gekommen. Wäre es vollständig erhalten sähe es direkt wie ein Wienerlied aus. Das war ein sehr gutes Symbol für meinen Vortrag: Der fehlende Himmel. Wir seien zwar ein Produkt der Aufklärung, aber nicht aufgeklärt genug, um unser Wesen als Ganzheit zu erfassen. Ob wir angesichts dessen in die Kirche gingen oder Suchende blieben, sei jedem anheim gestellt.
Ich hoffe, die Bedeutung des Verlustes der österreichischen Idendität ist durch meine auflockernden privaten Randbemerkungen nicht zu verwässert angekommen. (Denn mein Vater war ja Chefrestaurator der Schönbrunner Wagenburg.) Wichtig war mir vor allem über die um sich greifende Charakterlosigkeit reden. Die Beliebigkeit. Die Sprachlosigkeit.